Gostfreundschaft. Ein transkultureller Audiowalk durch Gostenhof


Staatstheater Nürnberg

 

Premiere, April 2023


Glasscherbenviertel, Gostanbul, Goho – Die Zuschreibungen und Etiketten für Gostenhof sind mindestens genauso vielfältig wie die Geschichte des Stadtviertels selbst. Auf der einen Seite mag Gostenhof exemplarisch für Viertel in Städten stehen, die zunächst migrantisch und von Künstler*innen besiedelt wurden, um dann durch Erhöhung von Mieten „gentrifiziert“ zu werden, andererseits entzog sich Gostenhof seit jeher den Klischees und hat mehr zu bieten als eine oberflächliche Strukturdebatte: bürgerschaftliche Initiativen, ehrenamtliches Engagement, interkulturelle Aktivitäten, das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, Ausgehmöglichkeiten und vieles mehr. Paulina Neukampf, auf der polnischen Insel Wolin aufgewachsen und seit 2006 als Theatermacherin in Deutschland, wird in einem Hörspaziergang, in dem es auch szenische Momente geben wird, die Geschichte und Gegenwart in Form ganz verschiedener Stimmen zu Wort kommen lassen. Was war Gostenhof, was ist es, was könnte es in Zukunft werden? 

 

Mit: Lisa Mies, Aydin Aydin

Sounddesign: Sarah de Castro

Ausstattung: Pascal Seibicke

Dramaturgie: Sabrina Bohl

Künstlerische Produktionsleitung: Greta Călinescu

 


Es ist eine rund eineinhalbstündige Tour mit Kopfhörer durchs östliche Gostenhof, inszeniert von Regisseurin Paulina Neukampf. Dabei erfährt man viel über die Geschichte und Gegenwart des Viertels, vor allem durch Audio-Mitschnitte von Interviews mit Bewohnern, die von einer Sprecherin (Lisa Mies) thematisch zusammengehalten werden. Dazwischen lockern szenische Elemente den Rundgang auf.

Allerdings kann man durchaus konstatieren, dass das Konzept funktioniert. Der Zuhörer ist mittendrin im pulsierenden Stadtteil-Leben, aber gleichzeitig ganz privat, behütet und umsorgt von den vielen Stimmen im Kopfhörer. Wenn Aydin Aydin, Ensemblemitglied im Schauspielhaus, in einem räudigen Keller in der Bauerngasse mit funkelnden Augen den Liebknecht gibt, dann ist das eine intensivere Erfahrung als jedes Bühnenstück - wann erlebt man Theater schon mal aus eineinhalb Metern

Entfernung?

 

Thomas Correll, Nürnberger Nachrichten



Foto: Konrad Festerer