Prinzessinnendramen I-III, ein Hörspaziergang


Theater Oberhausen

https://www.theater-oberhausen.de/programm/stuecke.php

 

Premiere April 2020


Schneewittchen irrt als Beute und Wahrheitssucherin umher, während die Wahrheit ihrerseits nach Schneewittchen sucht. „Doch der Wahrheit ist alles egal, außer ihr selbst.“ Dornröschen, umgeben von wilder Natur,  wird von Mr. Right wachgeküsst, erstarrt aber in betonierter Kulisse schnell wieder angesichts der bevorstehenden Paarung. Rosamunde wird als geborene Herrscherin zunächst durch eine Entführung ihrer Herrschaft beraubt, darf diese aber schließlich in glücklicher Zwangsehe ausüben. Denn die Frau ist schwach und muss vom Manne „mit Schutz und Liebe“ umringt werden, da „unter eines Weibes Fuß der Boden, auf dem sie herrscht, schwankt“. Fernab ausgetretener Opfer- und Täter*innenpfade sind Jelineks Prinzessinnendramen eine Art Macht- und Mentalitätsgeschichte der Geschlechter, geschrieben mit schonungslosem Blick, unorthodox, bitterernst und entwaffnend selbstironisch.

 

Mit: Susanne Burkhard, Agnes Lampkin, Daniel Rothaug, Lise Wolle

 

Regie und Bühnenfassung: Paulina Neukampf

Ausstattung: Pascal Seibicke

Sounddesign: Sarah De Castro

Dramaturgie: Romi Domkowsky


"Prinzessinnendramen" als Audio-Spaziergänge über drei Abende hinweg zu inszenieren, diese Idee kam Regisseurin Paulina Neukampf und Dramaturgin Romi Domkowsky während der Proben. (...) Die kurzen, im Stadtraum inszenierten Szenen illustrieren den Text nicht, sie sind eher lockere Assoziationen: Bilder der Bedrohung, der Nähe, der Macht. Statt als Schneewittchen im Sarg aus Glas zu liegen sitzt Schauspielerin Lise Wolle im Schaufenster eines Perückenstudios - auch so ein Ort an dem Schönheit konstruiert, oder während der Chemotherapie rekonstruiert wird. Irgendwann steht sie auf, legt ihre Fingerspitzen an die Scheibe. Als auch von außen eine Hand das Fenster berührt, rinnt eine Träne ihre Wange herunter. So schlimm und schön hat sich die Sehnsucht nach Nähe trotz Social Distancing lange nicht angefühlt."

 

Cornelia Fiedler, 29.09.2020

https://www.sueddeutsche.de/kultur/theater-ohne-buehne-weg-vom-bildschirm-1.4891022

 


Ein Werk der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in all seiner sprachspielerischen Eleganz, moralischen Empörung und assoziativen Dynamik eines offen diskursiven Gedankenstromes. Eingebunden in einen Audio-Walk, einen Spaziergang in der Öffentlichkeit. Mit richtigen Schauspielern. Live! (...) Das Nachdenken über Schneewittchen, Dornröschen und Rosamunde hat Paulina Neukampf für das Theater Oberhausen inszeniert.

Daniel Rothaug, als Künstler kenntlich am Theater-Oberhausen-Beutel auf der Schulter, lungert um die beschallten Zuschauer herum, wirft in nachlässiger Arroganz mit Sonnenblumenkernschalen, kickt eine Energydrink-Dose, fixiert die Menschen unter den Kopfhörern herausfordernd. Ist er der Jäger? Hassobjekt Macho? Das Prinzip Mann? Aber so schlicht setzt die Inszenierung nicht auf Konkretisierungen der obsessiven Sprachkunst. Es sind eher atmosphärische und symbolische Bilder, die Neukampf in den Stadtraum implantiert hat, um das mal philosophisch aufbrausende, mal kalauernd geerdete Mäandern der Jelinek-Reflexionen über weibliches Sein zu ergänzen.

 

Jens Fischer, 01.05.2020

https://www.die-deutsche-buehne.de/kritiken/unterwegs-mit-jelinek-im-ohr


 

 

 

https://www.ardaudiothek.de/fazit-kultur-vom-tage/erste-offline-theaterpremiere-in-corona-zeit-audio-walk-in-oberhausen/74848202


Auf das Trottoir gemalte Symbole weisen einem jeweils die Richtung zu den Orten, an denen Schauspielerinnen und Schauspieler des Oberhausener Ensembles auf einen warten. Während sie stumm spielen, hören die Spaziergänger Passagen aus Jelineks von Schubert durchdrungenen Texten, die klassische Erzählungen von bedrohten (Jung)Frauen und mal bösen, mal heroischen Männern überschreiben. Patriarchalische Strukturen werden unbarmherzig durchleuchtet und stehen plötzlich da wie der Kaiser in seinen neuen Kleidern.(...) Paulina Neukampf variiert geschickt von Text zu Text ihre Strategien. So konkret die Spielsituationen bei »Schneewittchen« sind, so abstrakt sind die Szenen, die sie für »Rosamunde«, das dritte »Prinzessinnendrama« gefunden hat. Das entspricht durchaus Jelineks Vorgehensweise. (...) Zu der Text- und der Spielebene kommt in Paulina Neukampf noch eine dritte Ebene hinzu, die Stadt und ihre Gesetzmäßigkeiten, die diese drei Audiowalk-Inszenierungen wirklich einzigartig macht. Jeder, der sich auf die drei Wege durch Oberhausen begibt, erlebt etwas anderes. Mal lenkt einen ein Passant durch sein Verhalten von dem Text ab, mal geschieht etwas, das wie inszeniert wirkt und reiner Zufall ist. So bekommt die Oberhausener Stadtgesellschaft eine eigene Stimme, die der Jelineks in Nichts nachsteht.

 

https://kulturkenner.de/events/mit-elfriede-jelineks-prinzessinnendramen-unterwegs-in-alt-oberhausen